12.02.2013

Synchronisation von Menschen


'Neue Musik', also jene Musik, die sich in der Tradition der europäischen Avantgarde des zwanzigsten Jahrhunderts sieht, findet sich dieser Tage in einer recht eigentümlichen Situation wieder.

Musik ist als Medium zur (Selbst-) Synchronisation von Menschen zum Zwecke von Tanz, Gleich- oder auch Wechselschritt in der Geschichte der Kunstmusik nach 1945 nicht gut angeschrieben. Synchronisation von Menschen zum Zwecke der Produktion nicht -synchronisierender Musik wird aber durchaus akzeptiert und ist eine Bedingung für die Möglichkeit dessen, was Neue Musik dieser Tage ist. Denn mit der Partitur kommt auch der Ton, in dem die meisten Werke Neuer Musik verfasst sind, nämlich der rüde Befehlston. Die Partitur enthält Kommando-Codes, die von bezahlten SpezialistInnen auszuführen sind und die in ihrer Gesamtheit nur dem General, dem Dirigenten zur Verfügung stehen. Alle anderen MusikerInnen werden mehr als Oszillatoren, als Klanggeber denn als KünstlerInnen behandelt. Sie haben sich fraglos einzuordnen und zum vorgeschriebenen Zeitpunkt den vorgeschriebenen Klang zu produzieren. OrchestermusikerInnen haben sich - im Austausch gegen Geld - in diesen Zusammenhängen ausschließlich fremdbestimmen zu lassen. Ihre Noten - gleich einem Fließband - schreiben ihnen Bewegungssequenzen zur Produktion von Klang vor. Dies ist bei klassischer Musik wohl ähnlich. Auch dort haben OrchestermusikerInnen das auszuführen, was in ihren Stimmen steht; exakt und 'textgetreu'. Die MusikerInnen wissen dabei aber stets, wie sich ihre Stimmen in einer etablierten Sprache in das Ganze der Komposition fügen und können so viel eher als Individuen in einer Gruppe musizieren, denn lediglich als Schallquelle zu funktionieren. In gewisser Weise tauscht Partitur-gestützte Neue Musik Fördergeld gegen Macht über MusikerInnen in deren gesellschaftlichem Kontext des Konzerthauses und kann sich bei dieser Gelegenheit auch gleich dessen Abonnentenpublikum ausleihen. Nachdem dies zum größten Teil vom Staat finanziert wird, tritt der Komponist, die Komponistin folglich als untergeordnete Verwaltungseinheit zur Symbolisation von Staatsmacht auf.  www.volkmarklien.com