29.01.2013

Digitaler Maoismus


In seinem Essay Digital Maoism thematisiert Lanier den zunehmenden stumpfen Kollektivismus, der seiner Meinung nach am Deutlichsten in der Online-Enzyklopädie Wikipedia zum Ausdruck kommt. Lanier legt die Betonung seiner Kritik vor allem auf die individuelle Persönlichkeit, die aus seiner Sicht unter der Masse unterzugehen droht. Lanier betont, dass er mit Wiki (Kurzform für: Wikipedia), welches für ihn ein offenes Experiment darstellt, keine Probleme hat. Das Problem bestünde lediglich in der beängstigenden Tatsache, wie wichtig Wikipedia nach kurzer Zeit geworden ist, wie ernst es genommen wird und für wie unfehlbar die Nutzer dieses kollektiv erzeugte Wissen halten.

Die damit einhergehende und zunehmende „Wikifizierung“, die sich im Netz breit macht, verdeutlicht für Lanier die Unterordnung und gefährliche Wertschätzung, die der breiten Masse – der so genannten Schwarmintelligenz – entgegengebracht wird. Die Suchmaschinen leiten den Internetnutzer mittlerweile nicht mehr auf die Original-Seiten, sondern verweisen den Suchenden gleich auf die Seiten von Wikipedia. Das Ärgerliche für Lanier liegt in der Tatsache, dass die darin enthaltenen Einträge meist nur von den eigentlichen Quellen abgeschrieben wurden und somit nichts weiter sind als stupide Kopien.

Für Jaron Lanier taugen der Schwarmgeist bzw. die „Schwarmintelligenz des Kollektivs“ nur zur Vorhersage von statistischen Zahlenwerten wie z.B. Marktpreisen oder Wahlergebnisse, nicht aber zur Veranschaulichung von Wissen. Das kollektive Online-Buch Wikipedia würde letztendlich keine Wahrheit verbreiten, sondern lediglich die durchschnittliche Meinung einer anonymen Masse. Die Wissensdarstellung erfordere dagegen persönliche Kompetenz und Verantwortlichkeit. Das Internet fördert laut Lanier den Glauben daran, dass ein Kollektiv Meinungen, Ideen und Intelligenz hervorbringen könne, die denen des Individuums überlegen seien. www.hdm-stuttgart.de