06.10.2012

Elektroakustische Musik


Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde durch einige Komponisten die klangliche Beschränkung musikalischen Materials und damit die Entwicklung einer neuen Musik durch das traditionelle Instrumentarium bemängelt.

Ferruccio Busoni, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Überlegungen zur Mikrotonalität nach Erweiterungen der musikalischen Möglichkeiten suchte, verwies 1906 in seinem „Entwurf zu einer neuen Ästhetik der Tonkunst“ hoffnungsvoll auf die neuen Möglichkeiten des Dynamophones, von denen er damals jedoch nur schriftliche Kenntnis hatte.
Auch Edgard Varèse strebte nach einer klanglich offeneren Musik. Seine Instrumentalwerke aus den 1920er und 1930er Jahren zeugen von einer starken Tendenz zur Auslotung der klanglichen Grenzen des Instrumentariums, nicht zuletzt durch einen massiven Ausbau der Schlagzeugsektion in seinen Besetzungen. Die Nutzung von Perkussionsinstrumenten als klanglich nicht so essentiell in der europäischen Tradition verwurzeltem und ständig erweiterbarem Fundus wurde auch in der neuen instrumentalen Musik nach 1950 wie etwa bei Karlheinz Stockhausen noch weiterverfolgt.

Die Musik, die in den frühen 1950er Jahren aus den ersten Studios für elektroakustische Musik kam, bildete einerseits klanglich und andererseits ideologisch einen Gegenentwurf zu dem bis dahin gültigen klanglichen Konsens. In seinem Aufsatz „Elektronische und instrumentale Musik“ von 1958 formuliert Karlheinz Stockhausen diese Umstände:

„Ausgehend vom Studium der Partituren, die in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts entstanden, wurde seit 1950 alles in Frage gestellt, was europäische Musik ausmacht: nicht allein die musikalische Sprache, ihre Grammatik, ihre Vokabeln, sondern auch das bisher verwendete Klangmaterial, die Töne selber. Die historische Entwicklung der Instrumente war eng an eine Musik gebunden, die nicht mehr die unsere ist. Schon seit der Jahrhundertwende hatte man die Idee, etwas Neues zu sagen, aber man bediente sich nach wie vor der alten Klangzeichen. So ergab sich ein Widerspruch zwischen der physikalischen Natur der bisher verwendeten Instrumentaltöne einerseits und den neuen musikalischen Formvorstellungen andererseits.“

Diese Zeilen fassen das Klima jener Phase prägnant zusammen, welches das Komponieren nach der seriellen Methode und fast zeitgleich die Entstehung der ersten Studios für elektroakustische Musik hervorbrachte.

Quelle: http://icem-www.folkwang-uni.de/icem-web/wp-content/uploads/2006/05/zwissler_dipl_kapitel_1.pdf